Zur Ausstellung: Fruta Infinita
Olga Titus
Im schimmerden Gewand
31. Mai – 7. Juli 2019
Im schimmernden Gewand
Zur Arbeit von Olga Titus im Tiefparterre des Kunstraums Kreuzlingen. 31. Mai bis 7. Juli 2019
Olga Titus erzählt Geschichten, viele davon und eine jede ist aufregend, bunt und überbordend. Pop-Kultur, Folklore und die Ästhetik des Kitschs finden in ihrer Arbeit ein Zuhause ebenso wie das Spiel, der Spass. Die Freude am Erleben, Hören, Fühlen und Sehen des Erschaffenen steht im Vordergrund. Die Künstlerin, Schweizerin mit malaysisch-indischen Wurzeln, schafft Bilder, Objekte, Installationen und Videocollagen. Ihnen gemein ist die pralle Farbkraft, die offensichtliche Lust am Schaffen, Kreieren und Zeigen. Das Aufeinanderprallen von Herkunft, Zeit, Raum und Traditionen sowie das eigene Selbstbild, das aus der Prägung all dessen entsteht. All dies sind Themen, die Titus in ihren Werken farbexplosiv und spannungsgeladen verhandelt.
Ihre bunt gefärbten Bildwelten sind zugleich digitale wie analoge Kunstwerke. Videoaufnahmen bearbeitet die Künstlerin durch minutiöse Zerlegung, mehrfache Loops und kleinteilige Handarbeit. Titus Werke entstehen in unterschiedlichen Herangehensweisen: Zahlreiche Arbeiten gestaltet sie intuitiv, frei und ohne Skizze. In vereinzelten Videocollagen arbeitet sie jedoch nach genauem Storyboard und kreiert Frame by Frame nach einer minutiös geplanten Vorstellung. In ihren Videoarbeiten treffen fotorealistische Darstellungen auf ikonisch illustrative Motive. Ebenen von Bild, Text, Raum und Zeit verschieben und überlagern sich hin zu einem post-surrealen Bilderwald, der seine Inhalte hypnotisch freigibt und in seinen Bann zieht. Ein unstillbarer Bilderfluss, der sich doch einer Logik bedient, die Bild für Bild eine Wahrheit enthüllt, die gerade durch ihre opulente Verzerrung, Überhöhung und Ironie eingebaute Klischees aufdecken. Die Motive ihrer Bildcollagen stammen aus dem Sammelschrank des Okkultes und Alltäglichen und verkörpern Wünsche, Sehnsüchte und Erinnerungen verschiedener Kulturen und Generationen. Olga Titus` eigenes künstlerisches Ich flirrt in ihren Arbeiten umher gleich einer bunten Libelle, die in einer exotischen Landschaft aus Traum, Computerlandschaft und Zeichentrickcollage zuhause ist. Ihre Arbeiten verlocken schmeichelnd zum Eintritt, erwecken den Betrachter aber am Ende und zeigen sich mit einer grossen Portion Selbstironie gesellschafts- und selbstkritisch
Berückend ist diese Art, die so voller offener Hingabe zum Überbordenden ist und sich dabei trägt durch ihre fein eingewebte Struktur und Bildsprache, die Titus Arbeiten zu einem Gesamtkomplex mit vielzähligen sich überlappenden Schichten machen. Wie in einer Handarbeit des Webens entsteht dabei Bild für Bild, Ebene für Ebene, bis sich alles zu einem festen Stoff verspinnt, der eintausend und eine Geschichte erzählt.
Im Tiefparterre des Kunstraum Kreuzlingen zeigt Olga Titus Tapisserie-Arbeiten und Videoinstallationen aus neuerer Zeit. Titus` „Teppiche“ sind Gewebe, die in ihrer malerischen Oberfläche an Wandteppiche oder reichlich kolorierte Landkarten erinnern. Industriell hat die Künstlerin sie herstellen lassen, tausende von Pailletten wurden auf den Trägerstoff genäht. Die Vorder- und Rückseite der Pailletten ist jeweils unterschiedlich in Farbe und Farbstärke bedruckt. Berührt man das Farbgewebe, erinnert dieses flächige Meer an Pailletten an die glatt schuppige Haut eines Fisches, die je nachdem, in welche Richtung man streicht, neue Muster aufwirft. Gleich einer weit ausufernden Farblandschaft, die sich netzartig und in langsamen Wogen über die gesamte Oberfläche ausbreitet. Titus` künstlerische Handschrift durchzieht diese Weite. Sie reisst in spektakulären Farben eine innere Tiefe auf, eine Bewegtheit von Zeit, Raum und Wahrnehmung, die sich im bunt schimmernden Gewand kleidet.
Barbara Marie Hofmann, 2019