Einführung

 

is see women – Holly McLean im Tiefparterre Kreuzlingen

Laudatio von Barbara Marie Hofmann

Dies ist der erste Förderpreis, in dem die Preisträgerin eine Gastkünstlerin einlädt. Und wir freuen uns sehr, dass Rhona Mühlebach dafür die Dokumentarfilmerin Holly McLean eingeladen hat.

Holly McLean lebt und arbeitet in Glasgow. Sie nutzt die Medien Video und Collage, um in ihrer Arbeit fiktionales und dokumentarisches Erzählen zu verbinden und Erfahrungen weiblicher Identität zu erkunden. Sie verknüpft persönliche Berichte mit Elementen aus Natur, Wissenschaft und Kultur, um neue spekulative, rebellische und feministische Erzählungen zu schaffen.

In einem Gespräch fragte ich Rhona, seit wann die Zusammenarbeit mit Holly besteht. Beide kennen sich seit dem Studium of Fine Arts in Glasgow. Während und nach dem Studium begannen beide zu filmen, und auch sich gegenseitig zu assistieren.

Holy McLean und Rhona Mühlebach verbindet also nicht nur die gemeinsame Arbeit, sondern es gibt auch gemeinsame Themen, denen sich beide Künstlerinnen jedoch anders nähern. Gemeinsam ist beiden die Fragestellung nach dem Zusammenhang und der Rolle des Menschen in und mit der Natur. Zum einen. Zum anderen der Fokus auf weibliche Figuren, Protagonistinnen, tierische oder menschliche, die ihre Geschichte erzählen.

Die Unterschiede liegen in der Art der Erzählung und den Welten, die innerhalb der Filme sichtbar werden: Mühlebachs Arbeiten entstehen nach festem Drehbuch, oftmals werden mythologischen  Themen mit wissenschaftlichen Fakten erzählt und wir treffen auf fiktionale Welten, in denen Schweine denken oder Hügel sprechen. Holly McLeans Arbeiten stellen den dokumentarischen Blick ins Zentrum:  McLeans Filmarbeiten entstehen von Beginn ab in einem intuitiven Prozess, der im Moment entsteht, das dokumentarische Erzählen wird mit Fiktionalem ergänzt. Im Zentrum immer: Eine Frau in Entwicklung, im offenen und ehrlichen Dialog: Mit der Kamera und mit sich selbst.

Holly McLeans Filme lassen an Kurzporträts denken. So deutlich stechen die gezeigten Charaktere der Frauen hervor und bleiben im Gedächtnis. Wer sind nun diese Frauen, die McLean zeigt? Es sind Frauen, die man oftmals nicht im Film, nicht auf der Leinwand sieht. Sie sind nicht glänzend und strahlend schön. Sie sind nicht fragil und grazil. Sind sie nicht inszeniert, nicht künstlich. Und alle verbindet eine ehrliche und klare Haltung, zum Leben, zu sich selbst und vor allem zu Problemen, Wünschen, Erwartungen, die an sie in den Rollen von Frau, Freundin, Kollegin, Mutter, Schwester, Sehnsuchtsobjekt, Hausfrau, Forscherin gestellt werden. Erwartungen, die von außen kommen, aber auch von innen. Diese Frauen sind auf eine Weise sehr nah und weich in ihrer Offenheit und Ehrlichkeit, und zugleich zäh, willensstark und rebellisch in ihrem Streben, sich vom Leben und gestellten Erwartungen nicht aufhalten zu lassen. Diese Frauen sind immer unterwegs, in Bewegung, sie kommen woher und gehen wohin, sie haben Pläne für eine Zukunft und sprechen davon, immer in direktem Dialog mit der Kamera bzw. der Frau dahinter. Sie sind die Erzählerinnen ihrer eigenen Gegenwart.

 

Was die Kamera einfängt, wirkt wie ein persönlicher Zugang, wie eine Tür, die geöffnet wird. Man blickt auf das Entrümpeln von Campingwägen, auf chaotische familiäre Wohnräume, dem waghalsigen Surfen im stürmischen Meer, der wissenschaftlichen Arbeit im Labor. Das Gemeinsame ist die Selbstverständlichkeit mit der alle diese Frauen ihrer Tätigkeit immer weiter nachgehen. Denn etwas schwingt mit, Untiefen sind spürbar, werden bewusst und unaufgeregt thematisiert: Depression, berufliche Herausforderungen, gesellschaftliche Erwartungen, Mutterschaft. Holly McLean zeigt Frauen, die leben, mittendrin, vor, nach Unwegsamkeiten. Und die weitergehen, dennoch. Weil weitergehen keine Option, sondern Freiheit, Stärke, Möglichkeit ist.

 

Ebenso wir bei Rhona Mühlebach ist auch bei McLean die Natur ein wesentlicher Faktor. McLeans Frauen agieren mit ihr, rebellieren aber auch gegen sie, gegen das wilde Meer, partnerschaftliche Dynamiken oder gegen das, was Frau sein bedeuten soll. So wird auch der Körper zum Verhandlungsraum, jedoch nicht offensichtlich, sondern auf subtile Art und Weise: der Körper als forschendes und intellektuelles Wesen, der Körper als gebärender, der Körper im natürlichen, außerweltlichen Kosmos. Oder auch ein Körper, der sich Naturgewalten aussetzt und physische und psychische Belastungen erträgt. ist. Harte Kontraste werden gezeigt, in kühlen Farben und ehrlichen Worten, die in diesen auf den ersten Blick unscheinbaren, auf den zweiten Blick unfassbar starken Frauen sichtbar werden.

Was wir also zu erwarten haben? Geschichten, Erzählungen, Gegebenheiten, aus dieser oder einer anderen Wirklichkeit. Finden Sie selbst die Antwort darauf. Und nun laden wir sie ein, selbst diesen Frauen zu begeben, den hier Anwesenden und denen auf den Bildschirmen.

Herzlich Willkommen, Holly McLean!

Und herzlich Willkommen, Rhona Mühlebach!