Zur Ausstellung: Adolf Dietrich-Förderpreis
Ansprache – Sibylle Omlin
Adolf Dietrich Förderpreis-Preis an Joëlle Allet: aus der Laudatio von Sibylle Omlin
Der Adolf Dietrich Preis des Kantons Thurgau geht im Jahr 2013 an die junge Künstlerin Joëlle Allet (*1980 in Leukerbad, lebt im Thurgau bei Sirnach). Mit dem Preis verbunden ist eine Einzelausstellung im Kunstraum Kreuzlingen. Die Ausstellung umfasst Arbeiten, die auf kontextuelle Situationen von Begriffen und auf Fundgegenstände aus der Alltagskultur reagieren. Die Werke von Joëlle Allet schreiben sich in die räumliche Objektkunst seit den 1970er Jahren ein. Der Platzhalter, ein Mittel um Raum zu bezeichnen ohne ihn auszufüllen, ist eine bevorzugte Metapher in Joëlle Allets Werk und taucht in verschiedenen Werkkomplexen der Künstlerin auf, nicht zuletzt in jenen, die sie 2010 anlässlich ihrer Ausstellung anlässlich des Manor –Preises im Kunstmuseum Wallis geschaffen hat. Objekthafte Raumzeichen loten die tatsächlichen räumlichen Dimensionen aus, Masstabsvergrösserungen und Industriematerialien kennzeichnen ihre skulpturalen Erkundungen. Sie beziehen sich jedoch oft auf gedankliche Konstruktionen, Redewendungen und Begriffe, was sie mit Sprachwitz auflädt. Auch ihr erster Katalog mit dem Titel Bon Voyage -erschienen bei Kodoji Press Baden – ist als stereoskopie Reise zwischen ihrem Werk, realen Kontexten des Ausstellungsortes und historischen mediengeschichtlichen Bezügen zu lesen.
Jöelle Allet, die an der Ecole d’art du Valais in Siders, an der Hochschule der Künste Zürich sowie am Royal University College of Fine Arts in Stockholm studiert hat, ist bereits durch verschiedene Ausstellungen und Preise aufgefallen, so zum Beispiel 2009 den Kiefer Halblitzel Preis. Manor Preis des Kantons Wallis 2011. Und nun wird sie also mit dem Adolf-Dietrich-Preis geehrt. Adolf Dietrich, der wie wohl kein anderer aus seiner ihm nächsten Lebenswelt und aus seinem engen Alltag geschöpft hat damit mit einer Präzision des Ausdrucks reagiert, die auch Joelle Allets Werk kennzeichnet.
Oft wurde in den Berichten zu Joëlle Allets Arbeiten ihr Humor, ihre Ironie hervorgehoben. Ironie entsteht ja oft auch dadurch, dass man einen metaphorischen Begriff wörtlich nimmt oder einen Sachverhalt übertreibt oder gar ins Gegenteil verkehrt. Diese Elemente sind auch in den Arbeiten der Künstlerin in der Ausstellung im Kunstraum Kreuzlingen zu finden. Ihre Kreisel „Rundabout“ , ihre Bausätze für Modellflugzeuge – so etwa „FOCKE WULF FW 190 A NACHTJÄGER“ (2013) – werden vergrössert, übertrieben im Format, so dass die Gegenstände zu etwas anderem werden und ihren Bedeutungshof erweitern. Die Arbeit „Kommod“ (2012), die Oberflächen hochpoliert, aber verbogen lässig im Raum stehend, lässt an Soldaten denken, die nach dem Exerzieren aufgefordert werden, doch eine kommode Stellung einzunehmen. Die Wortspiele lassen sich somit leicht auch zu witzigen Narrationen erweitern.
„Die gute Regierung“, das Siegerprojekt für den Kunst-und-Bau-Wettbewerb zum Thurgauer Regierungsgebäude, das Joëlle Allet 2013 gewonnen hat, sieht vor, dem Thurgauer Wappentier, dem Löwen, fünf weitere Tiere beizugeben. Mit der Eule, dem Fuchs, dem Hasen, dem Biber und dem Wildschwein wählte Künstlerin fünf Tierarten aus, die in den Thurgauer Wäldern leben und mit positiven Charaktereigenschaften wie Weisheit, Schlauheit, Aufmerksamkeit, Fleiss und Kraft besetzt sind. Die Tiere werden als lebensgrosse Bronzegüsse gestaltet und voraussichtlich bis Mitte 2014 unter den zukünftigen Platanenreihen vor dem Regierungsgebäude plaziert. Sie zeigen sich volksnah und in realistischer Grösse. „Die gute Regierung“ - so nennt Joëlle Allet listig das Vorhaben – überzeugte die Jury, weil es auf witzige Art und Weise auf den Regierungssitz Bezug nimmt, zählt die Exekutive im Thurgau doch auch fünf Mitglieder. Die Künstlerin verbindet ihre Vorstellung der guten Regierung mit der Erzählform der Fabel, in der Tiere menschliche Eigenschaften besitzen. Mit der unkommentierten Aufstellung vor dem Regierungsgebäude stellt sie mit spielerischer Leichtigkeit die Frage, welches denn heute die Eigenschaften einer guten Regierung sein sollten.
Die Adolf-Dietrich-Preisträgerin Joëlle Allet erhält somit die Gelegenheit, ihre Arbeit im Kanton Thurgau auf stimmige Weise auch in den öffentlichen Raum zu tragen. Im Zug auf dem Weg durch den winterlichen Thurgau, an die Titel von Joëlle Allets Kunst denkend, „Tragflächen“, „Volumen“, „Fremdkörper“ , zeigte sich mir durch Wagenfenster für einen kurzen Moment ein Apfelbaum, der zwar keine Blätter mehr trug, aber die Apfel blitzten leuchtend rot an den kahlen Ästen, und ich fragte mich, ob Joëlle Allet den Baum wohl Apfelträger nennen würde…